5 Jahre sind genug
Ministerpräsident Stephan Weil und die rot-grüne Landesregierung wollen die Amtszeit für Hauptverwaltungsbeamte in Niedersachsen verlängern. Statt bisher auf fünf sollen die Bürgermeister und Landräte künftig auf bis zu acht Jahre gewählt werden. Laut einer vom NDR zitierten Regierungssprecherin könnte die Amtszeitverlängerung sogar noch über die frühere Grenze von acht Jahren hinausgehen.
Begründet wird die altbekannte Forderung nach einer Amtszeitverlängerung vor allem mit der stärkeren Planungssicherheit für die Amtsinhaber. Diese seien so beruflich besser abgesichert und man könne mit der Aussicht auf eine längere Amtszeit mehr Menschen zu einer Bürgermeisterkandidatur bewegen.
Was von den Befürwortern einer solchen Reform selten bis nie erwähnt, vielleicht auch überhaupt nicht bedacht wird: Eine Verlängerung der Amtszeit von fünf auf acht Jahre schwächt die demokratische Legitimation der Hauptverwaltungsbeamten massiv. Je seltener die Bürgerinnen und Bürger an der Wahlurne über ihren Hauptverwaltungsbeamten entscheiden können, desto geringer ist die demokratische Rückbindung des Amtsinhabers. Ob dies zur Befriedung der aktuell stark angespannten gesellschaftlichen Debatte beitragen kann, darf angezweifelt werden.
Zur Weiterentwicklung der kommunalen Demokratie gehört, und da scheint es im kommunalpolitischen Diskurs eigentlich keine zwei Meinungen zu geben, die stärkere Einbeziehung junger Menschen. Wie mögen sich junge Einwohnerinnen und Einwohner einer Gemeinde wohl einbezogen fühlen, wenn sie erst mit 23 Jahren das erste Mal bei einer Bürgermeisterwahl mitwählen dürfen? Genau so wird es leider einem nicht unerheblichen Teil der Bevölkerung ergehen, wenn die Amtszeit der Verwaltungschefs auf acht Jahre verlängert wird.
Richtig ist, dass viele kommunale Projekte einer langfristigen Planung und anschließenden Umsetzung bedürfen. Auch steht außer Frage, dass neuen Hauptverwaltungsbeamten eine gewisse Eingewöhnungszeit in ihrem Amt zuzugestehen ist.
Diesen Umstand aber als Argument für eine längere Amtszeit ins Feld zu führen, überzeugt aus mindestens zwei Gründen nicht.
Da ist zum einen der Vergleich der Hauptverwaltungsbeamten mit anderen gewählten Mandatsträgern. Mitglieder eines Gemeinde- oder Stadtrates werden ebenfalls auf fünf Jahre gewählt und müssen sich ehrenamtlich in ihre neue Tätigkeit einarbeiten. Landtags- und Bundestagsabgeordnete, die auf fünf, im Bundestag sogar nur auf vier Jahre gewählt sind, haben wohl kaum weniger komplexe Sachverhalte zu erfassen und zu entscheiden als kommunale Spitzenbeamte.
Ja, zumindest auf Bundesebene wird ebenfalls über eine Verlängerung der Legislaturperiode diskutiert. Abstände von mehr als fünf Jahren zwischen den regulären Wahlgängen werden dort aber in aller Regel nicht gefordert. Zudem wird die Debatte um eine Legislaturperiode von fünf Jahren für den Deutschen Bundestag in der Regel verknüpft mit demokratiestärkenden Zugeständnissen an anderer Stelle, zum Beispiel in Form einer Amtszeitbegrenzung für Bundeskanzler. Es ist genau diese Sensibilität für den Eingriff in demokratische Entscheidungsrechte, die viele Verfechter einer Amtszeitverlängerung in Niedersachsen vermissen lassen.
Zum anderen stünde den Niedersächsischen Hauptverwaltungsbeamten, die zu einem großen Anteil eine aufopferungsvolle Arbeit für ihre Kommune leisten, auch ein stärkeres Selbstbewusstsein gut zu Gesicht: Wer sagt eigentlich, dass jeder Bürgermeister im Land nach fünf Jahren die Abwahl fürchten muss? Wer objektiv gute Arbeit für seine Gemeinde leistet und diese nachvollziehbar kommuniziert, hat selbstverständlich auch gute Chancen auf eine Wiederwahl. Da es im Kommunalrecht (anders als zum Beispiel im Landtag oder Bundestag) auch keine Diskontinuität gibt, wonach sämtliche Verfahren nach Ablauf einer Wahlperiode von Neuem begonnen werden müssten, könnten begonnene Projekte nach einer Wiederwahl nahtlos fortgesetzt werden. Im Vertrauen in die politische Kultur unseres Landes sollten wir zudem den Gedanken zulassen, dass auch ein neuer Amtsinhaber einmal begonnene, gute Projekte nicht abbricht, sondern im Interesse seiner Kommune fortsetzt. Denn genau darauf kommt es an: Auf das politische Fortkommen der Gemeinde, nicht auf die Karriereplanung des Hauptverwaltungsbeamten.
Nachdenkenswert, wenn auch auf Landesebene teils widersprüchlich diskutiert, ist das Argument einer Entkoppelung von Bürgermeister- und Ratswahl. Nach der früheren Regelung in Niedersachsen, wonach der Hauptverwaltungsbeamte auf acht und die Vertretung (Stadtrat, Gemeinderat, Kreistag) auf fünf Jahre gewählt wurde, fanden diese beiden Wahlen in der Regel zu unterschiedlichen Terminen statt.
Von der Landtagsfraktion der Grünen wird diese Entkoppelung nun gar als Argument gegen eine Amtszeitverlängerung für Hauptverwaltungsbeamte angeführt, obwohl sie eigentlich das schlechteste unter vielen überzeugenden Argumenten gegen die Verlängerung auf acht Jahre ist.
Denn ob die Durchführung von Bürgermeister- und Gemeinderatswahl an einem Tag wirklich zu einer signifikanten Erhöhung der Wahlbeteiligung führt, erscheint zumindest fragwürdig. Im Flecken Bovenden lag die Wahlbeteiligung bei der Gemeinderatswahl 2016 (ohne parallele Bürgermeisterwahl) beispielsweise bei 59,67 %, 2021 waren es bei gleichzeitiger Bürgermeisterwahl 61,47 % (also nur 1,8 Prozentpunkte mehr).
Den Kritikern getrennter Wahltermine ist insoweit zuzustimmen, als dass unterschiedliche Wahltermine zu höheren Kosten führen. Wer das aber als ernsthaftes Argument für eine Zusammenlegung von Wahlterminen ins Feld führt, disqualifiziert sich selbst für die Debatte über eine lebhafte kommunale Demokratie.
Im Gegenteil, die Entkoppelung von Bürgermeister- und Gemeinderatswahl ist sogar sehr wünschenswert. Denn sie verhindert die unsägliche und in ganz Niedersachsen vielfach geübte Praxis, dass Hauptverwaltungsbeamte als Spitzenkandidaten ihrer Partei bei der Wahl der Vertretung antreten, obwohl sie diese als gewählte Bürgermeister oder Landräte überhaupt nicht annehmen können.
Um dieses das Wahlergebnis massiv verzerrende Phänomen zu verhindern, braucht es jedoch keine Verlängerung der Amtszeit. Sinnvoller wäre es dagegen, ein System vergleichbar mit den Midterm Elections in den Vereinigten Staaten einzuführen. Danach könnte die Wahl des Hauptverwaltungsbeamten jeweils zweieinhalb Jahre nach der Wahl der Vertretung stattfinden. Die Einwohnerinnen und Einwohner hätten somit alle zweieinhalb Jahre die Möglichkeit, die kommunalpolitische Ausrichtung ihrer Gemeinde an der Wahlurne mitzubestimmen. Das wäre eine wirklich fortschrittliche, demokratiestärkende Reform des niedersächsischen Kommunalrechts.
Quellen:
https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/Land-will-Amtszeit-von-Buergermeistern-und-Landraeten-verlaengern,amtszeiten102.html (letzter Aufruf am 23.07.2023)
https://www.haz.de/der-norden/laengere-amtszeit-fuer-buergermeister-in-niedersachsen-weil-kuendigt-neues-modell-an-DH32HEU2DBDB3IS3PTDZKBMYAI.html (letzter Aufruf am 23.07.2023)